Diskriminierungssensible Erziehung: Mit Kindern über Diskriminierung sprechen (Buchrezension)

Mit Kindern über Diskriminierung sprechen von Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar, erschienen 2024 im Beltz Verlag, ist ein weiteres Grundlagenwerk für Diskriminierungsbewusstsein, nun eben mit dem sehr wichtigen Fokus auf dem Thema Erziehung. Wie kann man Kindern die Systematik und die Strukturen hinter Diskriminierung bewusst machen, wie kann man betroffene Kinder stärken und schützen und nichtbetroffene Kinder aufklären, das sind die Hauptfragen, denen die Autorinnen gemeinsam mit acht Expert*innen nachgehen.  Neben dem eigenen Themenschwerpunkt Antischwarzer Rassismus und Colorism, zu dem Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar bereits das Buch „Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen“ (Beltz, 2021) veröffentlicht haben, finden folgende weitere Marginalisierungen Raum: antimuslimischer Rassismus, antiasiatischer Rassismus, Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze, Antisemitismus, Queerness (insbesondere Geschlecht), Dick_Fettfeindlichkeit, Ableismus und Klassismus.

Die beiden Autor*innen schreiben alle Kapitel selbst, beschreiben ihre eigenen Erfahrungen und Unsicherheiten mit den Themen, machen sie dadurch nahbarer und zeigen deutlich: Wir alle haben diskriminierendes Verhalten verinnerlicht, wir alle müssen dazulernen. Diese Position so offen zu zeigen, ist eine der großen Stärken dieses Buchs. Was die Autor*innen selbst verstanden und gelernt haben, fassen sie in den Kapiteln zusammen, immer gestützt von Zitaten und Erzählungen der Expert*innen, die alle selbst Angehörige der jeweiligen marginalisierten Gruppe sind.

Für mich selbst das mit Abstand aufschlussreichste und lehrreichste Kapitel was das Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze. Zu allen anderen Themen hatte ich vorher auf unterschiedliche Art und Weise schon vieles dazulernen können, weil es schon deutlich mehr Material und auch insgesamt an vielen Stellen mehr Sichtbarkeit gibt (und ich bin ziemlich sicher, nicht nur in meiner Bubble ist das so). Ganz ehrlich, allein für dieses Kapitel sollte man in meinen Augen dieses Buch lesen – auch wenn alle anderen Kapitel ebenfalls sehr interessant und je nach Vorbildung sicherlich auch enorm lehrreich sind.

Bei den Themen, die mich selbst betreffen und für die ich selbst Expert*in bin, war ich naturgemäß am Kritischsten beim Lesen – und habe tatsächlich kleinere Anmerkungen, aber eben auch nur das. Beim Kapitel zu Ableismus (also Diskriminierung gegen behinderte und/oder chronisch kranke Menschen) hätte ich mich gefreut, wenn es eine Einordnung von Behinderung gegeben hätte. Ableismus wird definiert, nicht aber Behinderung selbst, das fand ich einigermaßen irritierend. Es wäre gut gewesen, zu besprechen, dass manche Behinderungen nicht auf den ersten Blick sichtbar sind, dass es auch neurologische Behinderungen gibt, nicht nur körperliche, psychische und Lernbehinderungen gibt. Beim Kapitel zu Geschlecht fiel mir auf, dass Schreibweisen nicht einheitlich waren, inhaltlich aber auch da viel Gutes und Hilfreiches dabei.

Sowohl Eltern, wie auch Erzieher*innen, Lehrkräften und anderen Pädagog*inen kann ich dieses Buch wirklich sehr empfehlen. Es wird Vorurteile bei euch anfangen abzubauen, es wird euch helfen, Diskriminierung mit weniger Unsicherheiten mit euren Kindern zu besprechen und trägt damit zu einer Welt mit insgesamt weniger Diskriminierung bei.

Danke an den Beltz Verlag für das Rezensionsexemplar.

Hoffnung, die leuchtet und berührt

In Hoffnung, die leuchtet, verarbeitet Jasmin Sturm alias Farbflausen in 24 Texten und Illustrationen ihre Gedanken zu Licht, Schatten und dem Dazwischen. Die Texte variieren zwischen Lyrik und Prosa, sind oft sehr persönlich und laden zum Mitfühlen ein. Da geht es um das Leben mit Kindern und ihre Fragen, um die Gesellschaft und ihre (Vor)Urteile, um Krankheit und Behinderung, um Resilienz und wo sie wohnt, um Hoffnungslosigkeit und die leisen und lauten Töne der Verzweiflung, die manchmal in uns mitschwingt.

So sehr ich mich in einigen Gedichten wiederfand, was mich durchweg am meisten berührt hat, waren die Illustrationen. Jasmin Sturm hat eine Art zu bebildern, die mich erreicht, klare, deutliche Farben und Gestaltung, vielfältige Figuren und ruhig, nicht aufwühlend in der Wirkung. Mein wohl liebster Moment im Buch sind zwei Doppelseiten, in denen es ums Aushalten geht, ums damit allein fühlen und dann nicht damit allein sein. So sehr mich hier auch die Worte berühren, es ist die Bildebene, die mich noch tiefer bewegt.

Dank Jasmin für das Rezensionsexemplar. Liebe Leser*innen, das ist nun unbezahlte Werbung, aber schaut euch doch mal in Jasmins Shop um, alle Bücher, Büchlein, Postkarten und und und sind ganz wunderschön.

Linus liebt Licht – und ich liebe Linus

Linus liebt Licht ist ein Pappbilderbuch ab 2 Jahren, das von einem autistischen Kind erzählt. Es wird beschrieben, was dieses Kind, Linus, glücklich macht, was ihn überfordert, was ihn fasziniert und beruhigt. Jede Seite ist mit wunderschönen Bildern illustriert, die eine klare Bildsprache haben, nicht überladen sind und ohne Verwendung greller Farben auskommen. Was außerdem positiv auffällt, ist die unaufgeregte Diversität der Figuren im Hintergrund der Bilder. Am Ende des Buchs werden schließlich zuerst die Kinder, dann die erwachsenen Leser*innen angesprochen. Ihnen wird erklärt, was es mit Linus und mit Autismus auf sich hat und wieso sich autistische Kinder oder auch Erwachsene auf die eine oder andere Weise verhalten. Es wird außerdem erklärt was Stimming ist („selbst-regulierendes oder selbst-stimulierendes Verhalten“), weil alle Tätigkeiten, die im Buch beschrieben werden, Stimming sein können.

Alles in allem merkt man dem Buch an, dass es ein Herzensprojekt aller Beteiligten ist. Die Autorin Anna Mendel und die Illustratorin Jasmin Sturm sind beide Mütter eines autistischen Kindes und bringen ihre Perspektiven mit in die Geschichte. Da es aber nicht ihrem eigenen Erleben entspricht, da sie selbst nicht autistisch sind, gab es auch ein diskriminierungssensibles Lektorat.

Als Autist*in, die*r erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wurde, habe ich dieses Buch mehr als gerne gelesen, mehrfach hindurch geblättert, die Bilder bewundert und mir gewünscht, es hätte schon in meiner Kindheit ein solches Buch gegeben. Ich habe mich wiedererkannt in den Zeichnungen und der Erzählung und alles sehr nachgespürt, über mein eigenes Stimming nachgedacht und wie schön es ist, dass manches ganz unterschiedlich und anderes ganz ähnlich ist wie bei Linus. Mir persönlich hätten es noch ein oder zwei Seiten Bilderbuch mehr sein dürfen, bevor die Erklärungen für nicht-autistische Menschen anfangen, aber das werden alle unterschiedlich empfinden.
Was für mich tatsächlich etwas herausfordernd war, war der fehlende Übergang zur letzten Doppelseite und dass diese insgesamt sehr voll ist mit Informationen. Nach einem visuell sehr beruhigenden Bilderbuchteil war das für mich ein doller Bruch.

Trotzdem: Linus liebt Licht füllt eine Lücke in der Bilderbuchwelt, das steht für mich absolut fest. Ich wünsche mir mehr solcher positiven Bücher über Autist*innen, groß wie klein und mit Protagonist*innen vieler Geschlechter und Hintergründe. Von mir gibt es 5* für Linus liebt Licht, das, so glaube ich, ich allen Familien (autistisch oder nicht) gut gefallen und auch in Kindergärten gut ankommen wird. Insbesondere möchte ich das Buch aber autistischen Kindern und Erwachsenen ans Herz legen: es tut so gut sich wiederzuerkennen.